Aus zwei Aufenthalten im Herbst gibt es wieder neue Eindrücke, die manche Bewertung unterstützen. Vorab: das Ensemble ist grandios, auf jeden Fall eine Reise wert. Gleiches gilt seit vielen Jahren für das Sterne-Restaurant um Herrn Siewert, Herrn Rex und der jungen Dame, deren Namen wir noch nicht gelernt haben. Und natürlich ist der Kinderclub mit seinem Team unübertroffen.
Unverändert positioniert sich das Haus als Fünf-Sterne-Plus. Mit zwei Kids kosten dann Übernachtung und Frühstück gerne rund 900 Euro, wohlgemerkt pro Nacht. Da sollte im Haus also (fast) alles funktionieren - denkt man sich.
Wenn man mit heranwachsenden Jungs (10, 13 Jahren) reist, muß man sich überlegen, wie man sie ständig von der Elektronik weghält. Unsere Idee war die Tischtennisplatte im Kinderclub, weil beide Jungs gerne Tischtennis spielen. Leider ist die Tischtennisplatte „eingelagert“. Wie uns ein Mitarbeiter mitteilte, übrigens schon die ganze Saison. Man stellt sich dann die Frage, wie die laut Homepage jeden Samstag stattfindenden Tischtennis-Turniere stattgefunden haben?
Dann Fußball, auch das spielen unsere Jungs. Leider sind die beiden Tore auf dem Rasen - na? - „eingelagert“. Durch das Poloturnier wurde der Rasen zerstört, der neue Rasen muß erst anwachsen. Da ist Fußballspielen von Kids leider nicht möglich.
Also doch Elektronik, in der Teenager-Lounge ist ja eine Playstation. Leider fehlen die Fernbedienung des Fernsehers und die Ladekabel für die Konsolen. Also Anruf bei der Rezeption. Leider tut sich 2,5 Stunden nichts - wir überbrücken mit Monopoly. Nächster Anruf: wieder tut sich 2 Stunden nichts. Nach drittem, diesmal etwas deutlicherem Anruf kommt ein Mitarbeiter. Er stellt fest, daß dies der einzige Fernseher dieser Marke im ganzen Hotel ist und es leider keine Ersatzfernbedienung gibt. Mit irgendeinem Knopf am Gerät kann er ihn zumindest anstellen. Ladekabel für die Konsolen kann er leider auch nicht anbieten. Ob man nicht die Konsolen aus der Kindervilla nehmen könne? Aber: Die Ladekabel aus dem Eisbärenclub passen leider auch nicht.
Relativ sprachlos läßt man uns nach rund fünf Stunden ergebnisloser Warterei zurück.
Ohnehin hat das Haus leider ein großes Services-Problem. Wenn auch nur ein paar Gäste „zu viel“ im Hause sind, kollabiert das System.
Beispiel: Frühstück am Freitag Ende November. Es ist leer. Die Stamm-Mitarbeiter, erfahren, überaus freundlich, persönlich bekannt, bedienen prima und fragen in angenehm kurzen Abständen nach weiteren Wünschen. Alles klappt.
Samstag, am Tag danach. Es ist deutlich voller; Warteschlangen vor dem Frühstückssaal. Das um erkennbar Aushilfen aufgestockte Personal ist völlig überfordert, kommt weder mit Abräumen noch Bestellungen nach. Mehr als eine Stunde lang wird man weder bedient noch abgeräumt noch nach Wünschen gefragt. Als sich einer von uns dann direkt vor den Zugang zur Küche stellt, wird ein Wunsch aufgenommen und in das Bestellsystem getippt, aber dann doch nur die Hälfte gebracht.
Nächstes Beispiel: nach mehr als zwanzig Aufenthalten seit Eröffnung sind wir als Stammgäste einzuordnen, bei den (wenigen) noch verbliebenen langjährigen Mitarbeitern bekannt und in bestem Austausch. Wenn man dann - auch noch in einem ziemlich teuren Arrangement - in seine Bleibe kommt, begrüßt einen auf der Suite - Nichts (?!). Als meine Frau dann bei Bestellung eines Wasserkochers bei der Rezeption sich verwundert zeigte, daß es keine Begrüßungskarte oder sonstiges „Treatment“ gab, war die Antwort wirklich „kreativ“: man habe uns leider nicht erkannt, weil wir diesmal über die Hotelhomepage gebucht hätten, nicht per Mail in der Reservierungsabteilung.
Da bleiben einem wirklich die Worte im Hals stecken. Da sind Namen, Mailadresse und Kreditkartennummer identisch zu allen vorliegenden Stammdaten - und ein Erkennen ist nicht möglich. Übrigens ist auch ein (optisches) Erkennen an der Rezeption nicht mehr möglich, nachdem sämtliches Stammpersonal von Rezeption oder Concierge das Haus verlassen hat - oder mußte.
Nach Anreise möchte man dann abends das auf der Homepage beworbene Gänsemenü genießen. Aus Erfahrung klug geworden ruft man mal vorher an der Rezeption an und bestellt alles vor. Ergebnis: leider ist das Kurhaus(-Restaurant) an dem Abend - außerplanmäßig - geschlossen (warum eigentlich?) und leider kann man daher auch kein Gänsemenü anbieten. Das ist als Ergebnis schon schwer akzeptabel. Daß man aber weder bei der Anreise mittags darauf hingewiesen wird noch es in der täglich erscheinenden Postille („Der Tag“) steht, ist einfach unprofessionell.
Dann geht man alternativ in die Nelson-Bar. Die ist an dem Tag die einzige Anlaufstelle für Abendessen im ganzen Hotel. Gegessen wird in Schichten, Anmeldung muß offenbar sein. Nun kommen andere Hotelgäste am späten Nachmittag und wollen dort - vor den Abendessen-Schichten - noch etwas essen. Durchaus überraschend fragt dann das - sichtlich unwillige - Personal: „Wie lange brauchen Sie denn?“ Auch das ist für ein Luxushotel eine merkwürdige Frage.
Schräg ist auch der sog. „Gästecocktail“. Freitags gibt es am späten Nachmittag seit vielen Jahren einen Empfang, wo Hoteldirektor und die Führungskräfte der einzelnen Abteilungen (Restaurant, Spa, Kultur) die Gäste begrüßen und die aktuellen Entwicklungen berichten. In der Praxis am 29. November 2019 sieht das so aus: der Hoteldirektor kommt nicht, schickt stattdessen zwei jüngere, nicht gerade Networking-orientierte Fachkräfte. Diese stehen am Eingang der Nelsonbar, unterhalten sich und spielen auch gerne mit ihren Mobilgeräten. Kommt zufällig ein Gast in die Bar, weil er Kaffee trinken möchte, wird er nett begrüßt, das ist es dann auch. Von Gästecocktail keine Spur. Nach einer Viertelstunde gelingt es den beiden dann, einem Pärchen einen Sekt aufzudrängen, ein Gespräch findet nicht statt.
Es gäbe über das Hotel so viel zu erzählen, vom neuen Schwimmbad über neue Spa-Angebote bis… Man müßte es nur wollen und die richtigen Leute in den Gästecocktail schicken. Wie soll denn Bindung entstehen, wenn kein Austausch existiert? Ex-(Kurzzeit-)Direktor Mühl sprach zwar nicht gerne, aber immerhin freundlich mit seinen Gästen.
Und so gibt es noch zahlreiche kleinere und mittelgroße Dinge, die das Bild trüben, zwar einzeln meist „verzeihlich“, aber in Summe nicht adäquat für Anspruch und Preisstellung. Fast nie liegt es an der Location, fast immer an Personalressourcen oder -qualität und insbesondere Führung.
Für Wiederholungsgäste gab es übrigens ewig kein Loyalitätsprogramm, jetzt probiert man sich in der Discovery-Allianz. Gleichzeitig schafft man die Preisvorteile für längere Buchungen ab (wohne 7, zahle 6 Nächte; wohne 14, zahle 12 Nächte), erbringt aber keine Mehrleistung. Wen diese Preiserhöhung um rd. 15% motivieren soll, bleibt offen.
Wenn man fünfstellige Beträge für seinen Urlaub bezahlt, muß einfach mehr stimmen als Location, Eisbärenclub, Ein-Sterne-Restaurant und die (wenigen) langjährigen Fachkräfte.
Daher empfehlen wir natürlich die Reise nach Heiligendamm, aber nur mit entsprechend „adjustierten“ Erwartungen an den Service.
Dann wird man nicht enttäuscht, sondern nimmt es sportlich oder humoristisch. Wir kommen auch gerne nächstes Jahr wieder, vielleicht werden wir dann ja erkannt.