Aranui 5 - Erfahrungsbericht eines Travel Agents
von Maren Brenneke
In der Reisebranche gilt der Satz: Zufriedenheit ist, wenn der Unterschied zwischen Erwartung und Realität nicht zu groß ist. In einer medialen Welt, die sich immer schneller dreht, klingt der „Claim“ der Aranui wie ein Versprechen - „The Freighter to Paradise“. Abgelegene Inseln im Südpazifik mit Waren beliefern, eine Reise mit sinnvollem Hintergrund unternehmen, nicht zum Vergnügen im Kreis herumfahren, sondern unterwegs sein, um einer Aufgabe gerecht zu werden. Gast sein dort, wo der Kapitän Jeans und T-Shirt trägt, auf einem Kobra-Schoner am Ende der Welt.
Durch die verhältnismäßig kleine Zahl an Passagieren (um 200) und das ungeheuer schiefe Verhältnis von Schreibern (sehr wenige) und Lesern (unzählige) auf internationalen Bewertungsportalen fällt es schwer, sich online ein zutreffendes Bild zu machen. Und das tut der Reisende von heute doch so gerne! Ich bin da keine Ausnahme. Und zugegeben, in acht von zehn Reisebüros wird man schon viel Glück brauchen, um jemanden zu finden, der diesen Multifunktionsfrachter gut genug kennt, um Licht ins Dunkle zu bringen. Zu speziell ist das Produkt, zu gering die Nachfrage. Und Reisejournalisten kann man auch nur bedingt über den Weg trauen, sind sie doch in aller Regel auf Einladung unterwegs und somit eingekauft.
Mir hat man übrigens überhaupt keinen Rabatt gewährt, abgesehen von der üblichen Reisebürokommission, und auch kein Upgrade. Alles, was ich nun berichte, ist meine persönliche, ehrliche Einschätzung, total subjektiv und - na klar - mein eigenes Delta zwischen Erwartung und Realität beschreibend.
Erwartung
Die im Jahr 2015 in Dienst gestellte Aranui 5 nimmt deutlich mehr Passagiere auf, als es ihr Vorgänger, die Aranui 3, konnte, und sie hat, wie es alle modernen Kreuzfahrer auch tun, auf eine hohe Anzahl an Balkonkabinen umgestellt. Ich persönlich brauche keine Balkonkabine, jedenfalls nicht auf dieser Reise. Ich habe die Aranui ausgesucht, weil ich den Gedanken liebte, an einer sinnvollen Tätigkeit teilhaben zu dürfen, nicht im Mittelpunkt des Interesses zu stehen, beobachten zu dürfen und eben einfach mal etwas ganz anderes zu machen als alles, was ich bisher kannte. Neu entstandene Werbevideos der Reederei mit tanzenden vermeintlichen Ureinwohnern, die zur ITB 2017 erschienen sind, ließen mich aufhorchen und mir schwante Böses. Ist das noch "mein" Frachter oder ist es jetzt ein Kreuzfahrer, oder, noch schlimmer, ein Clubschiff?
Große Klasse fand ich im Vorfeld die Idee, mit Lektoren zu reisen. Also mit echten Wissenschaftlern, die einen interessanten Beitrag zur Sache liefern können, nicht etwa mit berühmten Schauspielern oder dergleichen. Und auf Langeweile habe ich mich gefreut, auf eine Gelegenheit, die Gedanken auf die Reise zu schicken, ohne etwas anderes zu verpassen. Stunde um Stunde allein mit dem Meer bis zum Horizont in alle Richtungen und ohne Bespaßungsprogramm. Auf die Begegnung mit Gleichgesinnten aus aller Welt.
Und ich habe gehofft, dass ich als Fisch & Seafood-Verweigerer nicht verhungere.
Realität
Gleich zu Beginn bin ich überrascht vom Komfort meiner Kabine. Klein zwar, aber groß genug für den Zweck, mit einem bequemen Bett, wo wir zu zweit prima schlafen können. Was mir auch gleich auffällt, ist die Technik, die sie an Bord verwenden. Da sind sie auf dem neusten Stand: Mein Hängerchen um den Hals, wie man es von Kreuzfahrten kennt, weiß, wann ich an Bord bin und wann an Land, ich bezahle alles damit und unterschreibe jeden Kauf, sei es in der Bar oder im Shop, auf einem Touchpad. Flatscreens in Kabine und auf allen Decks zeigen die Position des Schiffes, die Route, die Geschwindigkeit und allerlei nautische Daten. Ich darf jederzeit auf die Brücke, so lange kein Manöver anliegt, und alle, also ich meine ALLE zur Crew gehörenden Menschen an Bord, haben für die Gäste jederzeit ein herzliches und offenes Lächeln auf den Lippen. Der deutsche Reiseleiter Jörg gehört zum besten, was mir aus seiner Zunft bisher begegnet ist, weil er nicht nur über ein anscheinend grenzenloses Wissen über die hier bereiste Region verfügt, sondern gut mit Gästen umgehen kann und immer Ideen, die über das inkludierte Exkursionsprogramm hinausgehen, in petto hat. „Wenn Du nicht zur Ausgrabung möchtest, kannst Du zum Beispiel hier- oder dorthin wandern oder gehst zum Kunstmarkt, da sitzt der und der, der fährt Dich über die Insel, wenn Du magst…“ und so weiter und so fort. Überhaupt hatte ich nicht mit den allabendlichen Treffen, sortiert nach Sprachen der Reisenden, gerechnet, wo der Ablauf des kommenden Tages durchgesprochen wird. Am Ende einer jeden Sitzung lässt Jörg Fragen zu und informiert auf diese Weise im Laufe der Tage ganz nebenbei über Bildung, Gesundheit, Recht und Gott und die Welt in Französisch Polynesien.
Kommen wir zum Essen, was meine Erwartungen bei weitem übertroffen hat. Erst einmal wissen die Kellner schon am zweiten Tag, dass Maren keinen Fisch mag, was ich mehr als respektabel finde, weil ich eine von 200 bin und jeden Abend woanders sitze. Da gibt es Leute, die haben es mit Laktose, die bekommen jede Mahlzeit laktosefrei. Was immer einem schwer im Magen liegt, kann man am ersten Tag mit der Küche besprechen und es wird recht gemacht. Und das beste ist, das Essen schmeckt mir zudem hervorragend! Jeden Mittag und jeden Abend gibt es drei Gänge, am Tisch serviert, ein Viertel Wein kostenlos dazu und stilles Wasser satt. Ich habe eigentlich keinen süßen Zahn, aber die Nachspeisen sind ein Gedicht!
Die Nebenkosten an Bord sind für Südsee-Verhältnisse ein Klacks, Cocktails sind in der Happy Hour für die Hälfte, also für etwa 6 Euro zu haben, Bier kostet unter fünf Euro die 0,33 Dose und große Flaschen Sprudel gibt es unter 4 Euro, wenn ich mich recht erinnere. Es war so wenig, dass ich es mir nicht einmal gemerkt habe. Tatsächlich dreimal (!) in den 14 Tagen konnte Oberbekleidung kostenfrei über Nacht in die Laundry gegeben werden. Unsere Bordrechnung betrug am Ende nicht einmal 400 Euro und wir haben den ein oder anderen kostenpflichtigen Ausflug, wie eine Kanutour durch die Lagune Bora Boras, gebucht. Stilles Wasser steht auf jedem Deck im Spender kostenfrei unbegrenzt zur Verfügung, Kaffee und Tee ganztägig im Konferenzraum. Man kann theoretisch mit Null Euro auf der Rechnung von Bord gehen.
Trinkgeld wird nicht obligatorisch abgerechnet, fünf Euro pro Tag und Kabine werden auf Nachfrage empfohlen. Darüberhinaus ist natürlich jeder frei, persönliche Trinkgelder nach eigenem Ermessen zu verteilen. In Reiseführern steht oft geschrieben, Trinkgeld sei nicht üblich in der Südsee. Von mir hat es jeder gern angenommen.
Am Ende muss ich noch auf das Unterhaltungsprogramm zu sprechen kommen und damit zu dem Punkt auf der Agenda, mit dem ich Schwierigkeiten hatte. Für mich ganz persönlich war es zu viel das Guten, zu viel Kreuzfahrtcharakter und zu viel Krach. Und damit meine ich nicht die Arbeit an Bord oder Schiffsgeräusche, sondern hausgemachten Krach aus dem Lautsprecher. Auf den hauptamtlichen Animateur an Bord hätte ich gerne verzichtet, leider greift er auch dann und wann zum Mikrofon und man kann sich ihm dann faktisch nicht entziehen. Ich brauche auch kein „ABBA“ und „My Way“ auf Panflöte in Endlosschleife am Achterdeck, und wenn es noch so dezent und leise ist. Mir fehlte ein Ort der Ruhe an Bord, wo dauerhaft keine Musik spielt und kein CNN läuft. Das gab es letztlich nur vorne auf der Brücke oder in der eigenen Kabine. Für meinen Geschmack waren es außerdem zu viele Folklore-Darbietungen. Am Ende der „Polynesischen Nacht“ am Pooldeck, die eigentlich gelungen war, erreicht man mit einer Aufführung aus sechs (!) aufeinanderfolgenden Kriegs-Tänzen, die man als Europäer kaum voneinander unterscheiden kann, dass auch der letzte Gast vor Langeweile im Stuhl zusammensackt und zu Bett geht. Wie gerne hätte ich selber getanzt! Habe ich später auch, weil ich durchgehalten habe, mit einem Seemann. Was für ein Spaß! Sonstige Aktivitäten wie Tanzstunden (mit einer bezaubernden Tanzlehrerin) oder einer Modenschau im hiesigen Stil inkl. Erklärung, wie die Kleidung richtig angelegt wird, waren aus meiner Sicht eine nette Abwechslung, thematisch passend, und man konnte etwas lernen.
Hinweise und Tipps
WLAN gibt es an Bord, aber es ist sehr langsam und recht teuer (ca. 50 Euro für 500 MB). In den meisten Häfen gibt es aber Internetcafes mit leidlich guter Netzqualität: Für eine Textnachricht in Watts App o.ä. reicht es locker, Fotos dauern lange.
Es gibt reichlich Steckdosen in der Kabine und in jeder Kabinen-Kategorie einen Fön, der auch etwas taugt. Badetücher gibt es täglich neu. Alle Borddurchsagen (meistens „Die Barges stehen jetzt auf Deck X bereit“ o.ä.) sind in Englisch und Französisch, wirklich wichtige Ansagen auch auf Deutsch. Wer ein akutes Problem hat und Hilfe braucht, kann den deutschen Reiseleiter rund um die Uhr über die Rezeption ausrufen lassen.
Schnorchelausrüstung kann an Bord geliehen werden. Ich hatte keine Probleme, welche zu ergattern, es gibt aber angeblich nicht genug für alle. Wer sicher gehen will, bringt eigenes Material mit. Ebenfalls ins Gepäck gehören Wassersandalen (sonst auch in der Bordboutique erhältlich), feste, bequeme Schuhe für die Wanderungen und Mückenschutz (auch in der Boutique erhältlich) sowie Mückenstichsalbe. Es gibt Moskitos, aber zu schlimm ist es nicht.
Fazit
Ich habe mich bemüht, mit diesem kleinen Aufsatz eine möglichst sachliche und umfassende Beschreibung dieser Reise zu verfassen. Ohne die eigene Meinung kommt man bei einem derart emotional besetzen Thema wie dem Reisen aber freilich nicht aus.
Mein Dank gilt den Menschen an Bord, die mit ihrem warmem und herzlichem Willkommen und dem erfrischenden, Nähe erzeugenden Duzen die Aranui für mich zu einem vorübergehenden Zuhause gemacht haben. Um nur beispielhaft einige zu nennen: Tatiana und Dominique aus dem Service, Roger, der Barge-Steuermann, Guillaume, Offizier auf der Brücke, Ysa von der Rezeption, der Mahu aus der Boutique, Terry Hunt, der Lektor und natürlich Reiseleiter Jörg. Ihr seid alle Spitze!
Auch danken möchte ich der Eigentümerfamilie, die dieses ganz besondere Schiff so umsichtig betreibt. Sie geben sich Mühe, es gut zu machen und das merkt man auch! Ich wünsche mir sehr, dass sie ihrem Stil noch lange treu bleiben, das Besondere bewahren und dass sie aus der Aranui nicht heimlich, still und leise ein profitableres, weil leichter zu vermarktendes Cruise-Schiff machen.
Es gibt Hunderte von Kreuzfahrtschiffen, aber es gibt nur eine Aranui!
Ausführliche Tagesbeschreibungen mit Fotos gibt es in meinem Blog unter www.marens-travelnews.com, Kategorie Aranui.
Wer noch weitere Fragen hat, findet meine Kontaktdaten im Impressum des Blogs.