Ich schicke voraus, daß ich Geschäftsmann bin, der bisher mindestens 10mal in China war und dort die Vielfalt der Speisen mit großem Interesse kennenlernen durfte. Darunter auch ausgiebig die intensive Sichuan-Küche.
Als Paar haben wir den Chinabrenner vor einigen Jahren entdeckt und wegen seiner authentischen...Sichuan-Küche zu damals akzeptablen Preisen schätzen gelernt. Wir haben sogar eine heimische Geburtstagsfeier mit dem Chinabrenner-Catering gestaltet, und auch die heute üblichen skeptischen Gäste waren von der geschmacklichen Vielfalt der warmen und kalten Speisen begeistert.
Nun wollten wir nach einiger Zeit wieder dort an einem Freitag um 19:30 zu Abend essen. Die Reservierungsanfrage per Telefon wurde abschlägig beschieden, man sei vollkommen ausgebucht. Wir fuhren trotzdem hin. Der Freisitz war zu einem Drittel leer, der Innenbereich zur Hälfte, und das blieb auch bis zum Ende unseres Besuches gegen 21 Uhr so. Die Aussage am Telefon war also ein billiger Marketingtrick.
Mit Aushändigung der zumindest witzig gemachten Speisekarte mit symbolischen Speisenzeichnungen und Feldern zum Ankreuzen per Bleistift, sowie zwei laminierten Getränkekarten, wurde uns eröffnet, daß man in China immer mehrere Gerichte bestelle und alle am Tisch abwechselnd davon nehmen. Das ist richtig. Wir beide sollten uns 3-4 warme Speisen aussuchen, dazu kalte Gerichte, und mindestens die mittlere Reisgröße. Weine würden gerne flaschenweise getrunken werden. Wir schritten zur Karte. Nach wenigen Sekunden erstarrten wir. 32 Euro, 29 Euro, 24 Euro usw. pro warmer Speise, Reis kostet extra, ca. 8-15 € pro kalter Speise. Mal oben genannter Empfehlung hätte sich eine Summe ergeben, die in einem Sternerestaurant gereicht hätte.
Wir wählten Huhn mit Mango (22 €), Rind mit Kreuzkümmel scharf (24 €), Reis mittel (4 €), Gurkenspeise kalt (8€), dazu 1 Glas Wein und 1 Weißbier.
Es lagen Holzstäbchen offen aus, was in Corona-Zeiten nicht sein sollte. Erst auf Nachfrage erhielten wir abgepackte Einmal-Holzstäbchen. Es kam zuerst die abgedeckte Reisschüssel, 10-15 min später die warmen Speisen. Der Reis war kalt und klebrig, mit trockenen Stellen. Das Huhn mit Mango war praktisch kalt, bestand aus zusammengeworfenen Hühner- und wenig Mangostücken in einer geschmackfreien, angedickten Sauce. Das Rindfleisch mit Kreuzkümmel kam mittelwarm an, schmeckte mit Abstand am besten und nach Sichuan, scharf kenne ich aus China aber anders. Die Gurkenspeise kam am Ende, als wir mit den anderen Speisen bereits fertig waren. Unser Hinweis auf die erwartete und übliche gleichzeitige Speisenauftischung wurde mit „es ist gerade viel los in der Küche“ lieblos abgetan. Alle Portionen waren mittelgroß. Knapp 70 Euro zusammen.
Dem Restaurant Chinabrenner ist offensichtlich der Erfolg zu Kopfe gestiegen. Umgeben von Start-up- und Yuppie-Szenerie, die vermutlich noch nie aus Plagwitz nach China gekommen ist, scheint es offensichtlich keine Gefahr für den Chinabrenner zu geben, dass die trotz Corona-gebeutelter Wirte völlig überzogenen Preise und die gesunkene Essensqualität von den nach Geld aussehenden Gästen nachhaltig bemerkt wird und der Chinabrenner wieder zu seinen ehemaligen Tugenden zurückfinden muss.
Es gibt inzwischen noch andere authentische China-Regionalküchen in Leipzig.Mehr