Nachdem meine Frau und ich bei unseren Besuchen in Dresden und Umgebung in den letzten Jahren bereits den einen und anderen kulinarischen Tempel kennen gelernt hatten, verschlug es uns bei unser diesjährigen Reise in das Dresdener Genussatelier. Obgleich wir es inzwischen aufgegeben haben, Kritiken zu...schreiben, boten die herausragenden Kritiken für dieses Restaurant den Anlaß, die bisherigen Urteile einmal kritisch zu hinterfragen. Um das Gesamturteil vorweg zu nehmen: Nach unserer Einschätzung verdient das Genussatelier diese herausragende Einstufung nicht. Doch kommen wir zu den Details:
Wir wählten das 6-Gänge Menüs mit Weinbegleitung. Nachfolgende Besucher seien darauf hingewiesen, dass das angebotene Menü nur 5 Weine beinhaltet, da der fünfte und sechste Gang ein Dessert darstellt. Zwar wird man vor dem fünften Gang darauf hingewiesen und kann die fehlende Weinbegleitung mit einem zusätzlich berechneten Champagner kompensieren, jedoch wäre hier ein wenig Transparenz bei der Bestellung des Menüs empfehlenswert. Doch dazu mehr.
Das Menü startete mit einem Amuse-geule, das eine Fischkomposition sowie ein Waffeltextur-ähnliches Gebilde aufwies, welches jedoch, angesichts des fehlenden Eigengeschmacks und der starken Salzigkeit, geschmacklich nicht näher zu identifizieren war. Der erste Gang (Blauschimmel, Mandel, Blaubeere) bestand aus einer kleinen Tasse Blauschimmelkäsesoße (sehr fein) und einem Blauschimmeltörtchen, das optisch ansprechend, jedoch praktisch geschmacksneutral war. Begleitend wurde Buttermilchbrot und Petersilienbutter gereicht. Während der folgenden Gänge wurden wir zweimal gefragt, ob wir noch etwas Brot haben wollten, was wir bejahten. Es erschloss sich uns nicht ganz, weshalb diese zusätzlichen Brotgaben entsprechend mit EUR 4,10 berechnet wurden, aber wahrscheinlich war dies der gastronomische „Energieobolus“.
Fehlte im ersten Gang die Würze, so wurde diese im zweiten Gang (Steckrübe, Pak Choi Orinoa) mehr als kompensiert. Der dritte Gang (Steibutt, Chicoree, Pastinake) wies zu unserer Freude eine ausgewogenen Harmonie auf; Gemüse mit Biss, gut abgeschmeckte Soße, schnittfester, auf den Punkt gegarter Fisch.
Beim folgenden vierten Gang wurden wir in unserem geschmacklichen Harmoniebedürfnis wieder etwas durchgerüttelt: das Hirschrückenstück war zwar rosa, aber reichlich trocken (wir wissen, dass es auch anders geht), wobei die Kräuter auf der Kruste den Fleischgeschmack zu sehr dominierten. Bei dieser Gelegenheit sei angemerkt, dass die bislang zur Begleitung servierten regionalen Weine aus Saale-Unstrut und Sachsen zum Essen harmonierten, wie ein schlechtes Orchester bei einer Schostakowitsch-Aufführung; es fehlte durchgängig an Niveau, Finesse und Harmonie.
Kommen wir zum fünften Gang, der uns zwar als Sorbet annonciert wurde, sich jedoch als ein Granitee von griechischem Jogurt mit Mandarine outete. Bei näherer Betrachtung bestand dieser Dessertgang aus gesplittertem geeistem Jogurt, der mit Macha-Puder bestreut wurde. Insgesamt blieb diese Komposition geschmacklich als banal in Erinnerung. Zum abschließenden Gang (Nuss, Birne, Portwein) bot sich vom begleitenden Wein (Riesling-Spätlese aus Saale-Unstrut) ein erstes Highlight, das jedoch die künstlerisch aufwendige Komposition des Desserts, angesichts des faden Gesamteindrucks kaum kompensieren konnte.
Was in Erinnerung blieb, ist die fehlende Harmonie, die sich übrigens auch im modernen Tischkonzept zum Ausdruck brachte: Der Gast speist progressiv-innovativ an einem spartanisch gedeckten Tisch mit Naturholzplatte und wählt das notwendige Essbesteck aus der in der Tischplatte integrierten Besteckschublade. Doch auch hierbei wird die beabsichtigte Harmonie gestört, passt doch das auf dem Tisch drapierte Trockenblumengesteck eher in einen Oberharzer Hotelbetrieb, als in ein Restaurant, dass Michelin-dekorierten Trendsettern nachzueifern gedenkt. Wahrscheinlich lässt sich hier für EUR 79,00 (zuzüglich Weinbegleitung EUR 37,50) pro Person nicht mehr geschmackliches Feuerwerk auf der Zunge erwarten. Wir wurden, Gott sei Dank, schon eines Besseren belehrt.
Es ist üblich und auch legitim, dass ein kritisiertes Restaurant zur vorliegenden Kritik Stellung nimmt. Wahrscheinlich wird man uns Kritikern fehlende Professionalität und eine unzureichend ausgebildete Zunge unterstellen. Möglicherweise wird man uns, angesichts unserer Abneigung gegen die regionalen Weine auch einen Schuss Snobismus attestieren; sei’s drum, wir können damit leben. Es ist uns wichtig, dass wir, im Interesse der uns folgenden Besucher, unserer ganz spezielles ceterum censeo setzen und damit dem kulinarischen Künstler und seinem Team Ansporn zur Optimierung bieten. Ein bodenständiger selbstkritischer Koch wird es zu schätzen wissen, an die Selbstgefälligen seiner Zunft ist diese Kritik nicht adressiert.Mehr