Das mit drei Michelin Sternen ausgezeichnete Aqua in Wolfsburg befindet sich im Ritz-Carlton Hotel und ist mitunter der für mich am weitesten entfernte 3-Sterner in Europa, da eine Anreise „nur“ mit dem Zug oder dem Auto möglich ist und ich so 5 Stunden unterwegs bin,...um nach Wolfsburg zu kommen. Ergo datiert mein letzter Besuch aus dem Jahre 2018 und so bin ich gespannt, was sich seither im Aqua getan hat.
Sven Elverfeld hält im Aqua seine drei Michelin Sterne seit 2019 und ist auch bei meinem Besuch im Restaurant zugegen, was in der heutigen Zeit nicht als selbstverständlich zu erachten ist.
Wie schon oben erwähnt ist die Anreise ins Aqua mit einigen Strapazen verbunden und zu guter letzt regnet es bei meiner Ankunft in Wolfsburg Bindfäden. Der Weg ins Ritz-Carlton führt fußläufig über eine kleine Brücke und so freue ich mich auf eine nette Begrüßung im 5-Sterne Haus. Die Vorfreude ist allerdings wie verflogen, als ich vor der Tür kein Personal erblicke, dass sich um mein Gepäck kümmert, geschweige denn mich herzlich begrüßt. Drinnen angekommen, checke ich ein und teile der Dame an der Rezeption mit, dass ich am Abend eine Reservierung im Aqua habe. Dies war bis dato im Hotel nicht bekannt, was mir in dieser Art und Weise auch noch nicht untergekommen ist. Im Zimmer angekommen bemerke ich, dass keine Getränke in der Minibar sind und auch sonst kein Wasser auf dem Zimmer (außer aus dem Hahn) aufzufinden ist. Der Abend könnte besser starten…….
Nun aber zum Abend im Aqua. Der Gastraum ist nach wie vor sehr klassisch eingerichtet und eingedeckt und so fühlt man sich von Anfang sehr wohl. Es werden zwei Menüs angeboten welche bei 7 Gängen mit fairen 225,- zu Buche schlagen. Ich mische beide Menüs etwas und komme am Ende des Abends auf 8 Gänge. Zum Start soll es ein Le Lutétienne Millésime 2005 Brut Nature aus dem Hause Tarlant sein. Der Champagner weist schöne Alterstöne auf und bringt trotz eines hohen Anteils von Chardonnay eine schöne Cremigkeit an den Gaumen.
Die ersten kleinen Grüße erreichen den Tisch und hierbei handelt es sich um vier kleine Köstlichkeiten. Es wird eine karamellisierte Kalamata Olive serviert, bei der es sich um ein Signature von Herrn Elverfeld handelt. Dazu gibt es Kumquat mit Wildleberwurst, Aubergine mit Miso & Tofu und zu guter Letzt Räucheraal mit Topinambur, Malz und Knäckebrot. Die Olive ist allseits bekannt, lecker und nicht umsonst ein Signature der Küche. Bei der Wildleberwurst mit Kumquat dominiert für meinen Geschmack leider die Säure der Kumquat etwas too much und auch bei der Aubergine mit Miso & Tofu mag nicht so wirklich Freude bei mir aufkommen. Der Räucheraal allerdings, der in den vergangen Jahren oft mit Foie Gras und Apfel kombiniert wurde, ist in der Zusammenstellung mit Topinambur, Knäckebrot und Malz ein absoluter Volltreffer. Gerade die kräftigen Malzaromen können dem Räucheraal die Stirn bieten und machen diesen Gruß zu etwas besonderem.
Der Start ins Menü erfolgt mit Gänseleber, Mandarine, Yuzu und Schokolade. Die Foie Gras ist gut zubereitet und hat einen wunderbaren Schmelz. Auch wenn mich beim Gruß die Säure der Kumquat gestört hat, ist die Yuzu hier vom Geschmack in Kombination mit der Schokoladen die richtige Wahl und auch die Mandarine steuert ein wenig Süße zur säuerlichen Yuzu bei. Der Start ins Menü gelingt so ausserordentlich gut.
Im zweiten Gang serviert die Küche Saibling mit gelber Karotte, Hollandaise & Bauernbrot. Der Gang sieht rein optisch ansprechend aus, aber irgend etwas matcht bei mir nicht. Die Haptik der einzelnen Komponenten (insbesondere der Saibling) hat für mich keinen Biss, woran auch der Crunch des Bauernbrot nichts zu ändern vermag. Auch ist die Süße der Karotte zu stark, was diesen Gang leider zu keinem Genuß macht.
Nun zum Kaisergranat “Teriyaki” mit Rettich, Chinakohl und Krustentiermayonnaise. Der Kaisergranat ist perfekt zubereitet und von bester Qualität. Auch kann der Rettich, sowie der Chinakohl die leichten asiatischen Aromen gut transportieren. Die Mayonnaise vom Krustentier gibt dem Gang noch etwas Stärke und so gefällt dieser Teller.
Kurz vor meinem Supplement werfe ich einen Blick in die Weinkarte, denn es soll noch ein Bordeaux sein. Mein Blick wandert zu Saint Julien, wo ich erstaunt feststelle, dass ein 2016er Chateau Talbot unter 2éme Cru Classé eingeordnet ist, obwohl es sich um einen 4éme Cru Classé handelt. So etwas sollte in einem Haus mit dieser Reputation eigentlich nicht vorkommen. Eine Zeile darunter findet sich ein 2015er Chateau Gloria, welcher ebenfalls als 2éme Cru Classé auf der Karte erscheint. Es gibt im Bordeaux vierzehn 2éme Cru Classé und das Chateau Gloria befindet sich in keiner 1855 Klassifizierung der Crus. Hier sollte der Sommelier unbedingt nachbessern, denn ansonsten wird dem nicht so belesenen Gast suggeriert, ein 2éme Crus zu einem schmalen Taler trinken zu können.
Zurück zum Supplement. Ich habe mich für das im Sojasud pochierte Ei mit Mais, Champignons und schwarzem Knoblauch entschieden. Durch das Pochieren im Sojasud, transportiert dieser eine schöne Salznote zum Ei, die zu gefallen weiß. Auch gibt der schwarze Knoblauch eine gute Würze ab und gefällt in der Kombination mit dem süßen Mais.
Im eigentlichen Hauptgang habe ich mich für das Freilandhuhn “Brust & Keule” entschieden, welches mit einer Geflügel-Velouté und Kürbis auf den Tisch kommt. Auch hier spielt Elverfeld mit viel Süße, die durch den Kürbis zu präsent auf dem Teller ist. Auch kommt das Freilandhuhn sehr plain auf den Teller, wodurch die Velouté mehr Power gebraucht hätte. Leider kein gelungener Gang für mich.
Nun zum Käse; dieser kommt ganz klassisch auf dem großen Käsewagen daher und beinhaltet alles, was das Herz des Käseliebhabers höher schlagen läßt.
Spannend wird es im nächsten Gang. Hier schickt die Küche noch etwas „herzhaftes“ nach dem Käse in Form von Zitrone, Feldsalat & Speck. Dazu gibt es Sauerrahm und Pekannuss. Ähnliches macht Arnaud Lallement im L`Assiette Champenoise (Tinqueux - 3 Sterne), um vorm Dessert den Mund zu „cleanen“. Auch hier ist diese Komposition ein absoluter Volltreffer und gefällt von der Zusammenstellung, wie auch von den einzelnen Aromen, welche wunderbar zum Gaumen transportiert werden. Stark!
Mittlerweile dreht Herr Elverfeld seine Runde durchs Restaurant und ich hoffe dieses Mal einen kleinen Plausch mit ihm. Bei meinem letzten Besuch war Herr Marcel Reif im Restaurant und da Herr Elverfeld dort Platz nahm und sich sehr lange mit ihm unterhielt, fiel ein Gespräch mit ihm aus und ich sah nur der wehende Geschirrhandtuch, als er flotten Schrittes meinen Tisch links liegen ließ. Auch dieses Mal läßt Herr Elverfeld sich an den anderen Tischen viel Zeit und unterhält sich angeregt. Wahrscheinlich zu angeregt, denn die letzten beiden Tische, wozu auch mein Tisch gehört, kommen nicht mehr in den „Genuß“ auf eine kleine Unterhaltung und so bleibt wieder nur der Blick auf das wehende Geschirrhandtuch. Zwei-Klassen-Gesellschaft olé.
Der Nachtisch läuft unter dem Motto Joghurt mit Sesam und beinhaltet Raz El Hanut (arabische Gewürzmischung) und Granatapfel. Da die arabische Küche nicht unbedingt zu meinen Favoriten gehört und der Geschmack der Gewürzmischung sehr intensiv ist, kann mich dieses Dessert nicht in seinen Bann ziehen. Handwerklich ist hier alles gut gelungen, aber geschmacklich trifft es leider nicht meinen Nerv.
Die Petit Fours zum Espresso lasse ich mir einpacken, denn im Kühlschrank auf dem Zimmer ist bekanntlich ja viel Platz um diese zu verstauen.
Vor meinem Fazit noch ein kleiner (großer) Wermutstropfen. Bei einem der Gänge wurden Nüsse verbaut, die ich auf Grund einer Allergie nicht essen kann. Diese Allergie war dem Restaurant bekannt und wurde zusätzlich vorab mit dem Restaurantleiter nochmals besprochen. Leider schlich sich in einem Gang eine Horde der von mir nicht essbaren Nüsse ein, welche ich glücklicherweise selbst bemerkte, als ich den Teller vor mir stehen hatte. Das hätte auch anders enden können.
Nun denn; ein Abend im Aqua mit wenig Licht und viel Schatten, was die einzelnen Teller, die Weinkarte und vor allen Dingen den Service, bzw. die Küche anbelangt. Eine Weinkarte, welche falsche Klassifizierungen zum jeweiligen Wein aufführt und Allergien, welche nicht berücksichtigt werden, ist in 3-Sternehaus einfach ein Unding. Das Herr Elverfeld nicht an jeden Tisch kommt und nicht alle Gäste gleich behandelt; Schwamm drüber. Es gibt nun mal Stammgäste, denen man mehr Aufmerksamkeit schenkt. Das kann man für sich selbst halten, wie man möchte.
Der Abschied am nächsten Tag wird mir damit versüßt, dass es wieder in Strömen regnet und es für den Staff an der Rezeption nicht möglich war ein Taxi zu ordern. Ergo trete ich den Weg zum Bahnhof ohne Schirm im Regen an und so macht das Ritz-Carlton, bzw. das Aqua, an diesen beiden Tagen seinem Namen alle Ehren; nur eben in falscher Reihenfolge. Das Wasser kam von oben und auf Zimmer gabs keins. Vielleicht schaue ich in drei Jahren mal wieder vorbei und hoffe auf mehr Glück……Mehr