Ein Abend im Haerlin ist immer etwas Besonderes. Aber eine Einladung zum 20-jährigen Jubiläum von Küchenchef Christoph Rüffer zu erhalten, der am Chef’s Table einen ganzen Abend lang persönlich durch 8 Gänge seiner ganz persönlichen Highlights aus seinen 20 Jahren im Haerlin führt und mit...seinen Gästen den vollkommen neu gestalteten Weinkeller zum Entdecken neuer und alter Schätze besucht, darf ohne weiteres als eine Sternstunde im Leben eines jeden Gourmets bezeichnet werden.
Der Weinkeller ist im Hotel Vier Jahreszeiten ein durchaus historischer Ort. Denn hier befand sich bei der Eröffnung des Hotels im Jahr 1897 noch der Kohlekeller. Das Hotel hatte zu diesem Zeitpunkt gerade einmal 20 Zimmer. Relativ schnell errichtete der Eigentümer Friedrich Haerlin hier jedoch einen Weinkeller, in dem er nicht nur für seinen Hotelbetrieb Weine einlagerte, sondern gleichzeitig einen Weinhandel betrieb und optimale Lagerbedingungen für die Weine wohlhabender Hamburger Kaufleute bot – zu einem entsprechenden Preis. So geschäftstüchtig Friedrich Haerlin war, so geistesgegenwärtig war er auch, denn als die Briten 1945 Hamburg besetzten und 7 Jahre bleiben sollten, mauerte er den auch heute noch benutzten Zugang zum Weinkeller kurzerhand zu und verputzte alles so sorgfältig, dass die Alliierten den Weinkeller nie fanden.
Heute lagert hier alles, was in der Weinwelt Rang und Namen hat von Dom Pérignon über Scharzhofberger Auslese von Egon Müller bis zu Lafite-Rothschild und Hennesy Paradis Impérial in der eigens zur Lagerung von Cognac eingerichteten Cognac Lounge, wo der betuchte Gast auch Tastings durchführen kann.
Aber nun zum wichtigsten Teil: den Speisen.
Christoph Rüffer ist bekannt für seine sehr aufwändigen „Grüße aus der Küche“. Und so freuten wir uns über das Macaron von Rosenbaiser mit Gänseleber und Kirsche, den Taschenkrebs mit violettem Rettich und Seegrasvinaigrette, kunstvoll zu einer Rose drapiert und dem Taler von Rindertartar mit Imperial-Kaviar und gebundener Rote Beete Essenz. Alles geschmacklich hoch aromatisch, fein, perfekt aufeinander abgestimmt und handwerklich mit einer beachtlichen Perfektion in optisch absolut ansprechender Form präsentiert. Ein Traum! Dazu ein Grand Cru Champagner aus dem Hause Egly-Ouriet, überwiegend aus Pinot Noir gekeltert und ein Jahr auf der Hefe, daher ausgesprochen schöne Farbe und tolle Brioche-Noten bei gleichzeitig feiner Frucht.
Weiter ging’s mit Périgord-Wintertrüffeln mit Thunfischrücken, Sesam-Ginsenreis und warmer Trüffelvinaigrette. Ebenfalls sehr fein abgeschmeckt, aromatisch nicht ganz so durchdringend wie die zuvor genossenen Grüße aus der Küche, aber harmonisch und ebenfalls handwerklich absolut perfekt. Dazu ein 2019-er Chardonnay „Arbois“ der Domaine du Pélican aus dem Jura, der die Harmonie perfekt vollendete.
Überhaupt hat uns Sommelier Christian Scholz an diesem Abend eine Auswahl an Weinen zusammengestellt, die nicht nur absolut überzeugt hat, sondern als wirklich passgenaue Begleiter die Kreationen von Christoph Rüffer mit großer Umsicht und Eleganz unterstützt und somit perfekt begleitet haben.
So auch der 2008-er Pouilly-Fuissé der Domaine Valette, ein Mâcon, der für sich selbst genommen ein wirklich hervorragender Weißwein ist und auch ohne dazugehörige Speisen enorm Spaß macht, was in unserem Fall dazu führte, dass Herr Scholz mehrmals nachschenken dufte, bevor Herr Rüffer uns seine berühmte Holsteiner Ochsenschwanzessenz mit Crêperoulade, Ochsenschwanzravioli (ein aromatischer Kracher) und Wintergemüse servierte. Ein absolutes Feuerwerk. Mit dem Wein, zur Suppe nur in seltenen Fällen überzeugend, nochmals ein Stockwerk höher in den Geschmackshimmel gebracht.
Und so ging es weiter: Kaisergranat aus Norwegen mit gelber Beete, Sanddorn und einem hocharomatischen Krustentierschaum. Dazu ein 2018er „Palladius“ des Weinguts Eben Sadie aus Südafrika. Genial…
Die Steinbuttschnitte in Safran-Muschelnage mit Estragon und gefüllter Zwiebel war handwerklich natürlich wieder perfekt, der Fisch für sich genommen jedoch weniger aromatisch als erwartet, dafür mit der Safran-Muschelnage und der gefüllten Zwiebel auf der Gabel ein sehr komplexes und wunderbar aromatisches Erlebnis, das durch den fast roséfarbenen 2019er Rioja Blanco „Montes Obarenes“ aus der Bodega Gomez Crusado, einem absolut außergewöhnlichen Wein, noch intensiviert wurde.
Dann kam für mich das Highlight des Abends: Das Salzwiesenlamm im Petersilienmantel mit Zucchini, Tomate und Fondantkartoffel. Ein wahnsinnig zartes, für sich genommen bereits hocharomatisches Fleisch, das durch die angegossene Sauce noch nuancenreicher wurde und durch einen wunderbaren 2015er Faugères „Jadis“ des Weinguts Léon Barral aus dem Languedoc-Rousillon in andere geschmackliche Sphären gehoben wurde. Gott sei’s gedankt konnte meine Tischnachbarin diesen Gang aufgrund einer Lebensmittelallergie nicht mit uns genießen, so dass ich mich „geopfert“ habe, um hier wirklich völlig zu entschweben.
Und wenn eine Küchencrew um einen so talentierten und zugleich bodenständigen, liebenswürdigen, sympathischen und mit hochkonzentrierter Perfektion arbeitenden Küchenchef wie Christoph Rüffer das mit ihren Kreationen beim Gast schafft, dann sind die 2 Michelin-Sterne nicht nur hochverdient, sondern womöglich auch etwas niedrig gegriffen. Die 4 Porzellan-Putten, die Friedrich Haerlin schon 1897 zur Eröffnung seines Hotels angeschafft hat und heute in Glasvitrinen im Restaurant Haerlin stehen und die 4 Jahreszeiten symbolisieren sollen, stehen für mich ab heute zugleich auch für die Fähigkeit, den Gast mit sanften Flügelschlägen in aromatische Sphären entschweben zu lassen, in denen er sich in der Vielfalt und Komplexität der Aromen verlieren wird!
Als erstes Dessert kam, nachdem ich wieder in dieser Welt angekommen war, ein Mango-Passionsfruchtsorbet mit rotem Shisosud und Mezcal in einer von innen vergoldeten Sektschale. Und wieder explodieren die Aromen im Mund – ein vergleichbares Sorbet habe ich noch nie gegessen.
Den Abschluss bildete eine Rubinette aus Jork mit Karamell, gebackenem Krapfen und Rooibos-Vanilletee. Hier spielten zum ersten Mal auch unterschiedliche Texturen eine Rolle, vom Geschmack her wieder sehr komplex, wobei sich Rooibos-Vanilletee und Karamell sehr gut miteinander kombinierten und zusammen mit der 2007er Riesling Auslese „Oberremmler Hütte“ des Weinguts Hövel von der Saar einen wunderbaren Schlusspunkt setzten.
Das Tüpfelchen aus dem „i“ kam dann noch in Form einer Auswahl von Pralinen, Törtchen und Macarons (Sanddorn – so noch nie in einem Macaron kennen, aber aufgrund des ausgewogenen Süße-Säure-Verhältnisses sofort lieben gelernt) zum Espresso.
Was für ein fulminanter Abend, privatissime mit Christoph Rüffer und Team am abgeschlossenen Chef’s Table – ein Erlebnis der Extraklasse, von dem wir sehr lange zehren werden! Ganz großes Kino!Mehr